Antwort Bündnis 90/Die Grünen

Antwort von Bündnis 90/ Die Grünen

Wahlprüfstein I „Situation der selbständigen Wissensarbeiter in Deutschland“

1. Wie wollen Sie Gründer fördern, die den Wunsch haben ihr Wissen zukünftig als selbständiger Experte zu vermarkten?

Antwort:
Selbständige, Unternehmer und Gründerinnen haben wegen ihrer Leistungsfähigkeit, ihrer Eigenständigkeit und des Willens zur persönlichen Verantwortung große Bedeutung für unsere Gesellschaft. Zudem haben sie schon durch ihre regionale Verankerung im Lebensumfeld einen starken Anreiz für nachhaltiges Wirtschaften und für soziale Verantwortung. Wir wollen sie gezielt unterstützen und eine neue Gründerzeit einläuten. Gute Ideen und der Wunsch zu einer tragfähigen Selbstständigkeit sollen nicht an knappen Eigenmitteln oder bürokratischen Hürden scheitern. Wer gründen will und ein tragfähiges Konzept vorlegt, kann deshalb ein zinsloses Darlehen in Höhe von 25.000 Euro erhalten. Gründer sollen sich um ihre Gründung kümmern, nicht um Papierkram und Behördengänge: Wir fordern zwei Jahre Befreiung von nicht unbedingt nötigen Melde- und Berichtspflichten. Gründungsberatung und -förderung soll aus einer Hand in „One-Stop-Shops“ erfolgen und wir wollen, dass Gründende gut abgesichert sind, deshalb schlagen wir für kleine Einkommen eine günstigere Absicherung für Krankheit, Pflege, Arbeitslosigkeit vor und wollen nicht anderweitig abgesicherte Selbstständige so in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen, dass es sie nicht überfordert.

2. Selbständige Wissensarbeiter klagen über hohen bürokratischen Aufwand mit den unterschiedlichen Ämtern. Planen Sie konkrete Entlastungen?

Antwort:
Insbesondere mit der Digitalisierung besteht eine enorme Chance, Selbstständige, Bürgerinnen, Unternehmer und Verwaltung von Bürokratie zu entlasten. Diese Chancen wollen wir ambitioniert nutzen. Wir wollen die elektronische Kommunikation mit den Behörden (E-Government) mit einem einheitlichen Portal für alle elektronischen Verwaltungsvorgänge voranbringen, bei dem beispielsweise alle An- und Ummeldungen unkompliziert erledigt werden können.  Hier liegt Deutschland im internationalen Vergleich weit zurück. Wir wollen zudem, dass Regeln spürbar unbürokratischer werden. So sollen viel mehr Selbstständige die Umsatzsteuer erst abführen müssen, wenn der Kunde bezahlt hat (Ist-Versteuerungsgrenze auf 2 Mio. EUR vervierfachen). Wir wollen einen unkomplizierten steuerlichen Forschungsbonus von 15% auf alle F&E-Ausgaben in kleinen und mittleren Unternehmen einführen und kleine Anschaffungen sollen leichter abgeschrieben werden können. Dafür wollen wir die Grenze für die Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter auf 1.000 EUR deutlich steigern.

3. Insbesondere die „MINT“ Berufe klagen über einen drastischen Mangel an qualifizierten Bewerbern. Wie wollen Sie die Ausbildung von jungen Menschen in diesem Bereich fördern, um die Wettbewerbsfähigkeit des Hochtechnologielandes Deutschland auch in Zukunft zu erhalten?

Antwort:
Mit einem neuen Ganztagsschulprogramm wollen wir u.a. die Länder dabei unterstützen, alle Schulen so auszustatten, dass guter Unterricht mit individueller Förderung, der Nutzung digitaler Anwendungen und mit experimentellem Lernen in den MINT-Fächern in allen Jahrgangsstufen möglich ist. Dann wollen wir mit einem Reformpakt mit 500 Millionen jährlich über fünf Jahre die beruflichen Schulen unterstützen und auch dort die Ausstattung verbessern. So können vor allem auch die technischen Berufe konkurrenzfähig zur Hochschulausbildung vermittelt werden. Wir wollen den Hochschulpakt aufstocken und verstetigen und dazu mit den Ergebnissen des Qualitätspaktes Lehre verknüpfen. Denn auch wenn die Abbruchquoten z.B. in den Ingenieurstudiengängen deutlich gesunken sind und die Anfängerzahlen deutlich gestiegen sind, so gehen doch noch immer viel zu viele Studienanfänger, vor allem weibliche und solche mit Migrationshintergrund, an Unis wie an Fachhochschulen durch Studienabbruch verloren.

4. Die Zuwanderung wird vermutlich den akuten Fachkräftemangel in den „MINT“ Berufen absehbar nicht lösen können. Was für Konzepte haben Sie bzw. Ihre Partei, die kurz- bis mittelfristig wirken?

Antwort:
Um auch in Zukunft genügend Fachkräfte zu haben, müssen Wirtschaft und Politik an einem Strang ziehen. Dabei genügt es nicht, nur auf ein einzelnes Instrument oder eine einzelne Gruppe zu setzen. Stattdessen fordern wir eine Gesamtstrategie, die an verschiedensten Stellen ansetzt und alle Potentiale hebt. Dazu gehört die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu verbessern. Die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch ausreichende gute Betreuungsangebote ist genauso wichtig wie der Abbau steuerlicher Fehlanreize. Auch ältere Arbeitslose gehören nicht aufs Abstellgleis. Agenturen und Jobcenter müssen sich auch dieser Gruppe mit Qualifizierung und Vermittlung widmen. Wichtig ist größere Zeitsouveränität für Beschäftigte. Frauen und Männer brauchen mehr Mitsprache über den Umfang und die Lage ihrer Arbeitszeit, damit Arbeit gut ins Leben passt. Zudem fordern wir einen Vorrang für Aus- und Weiterbildung. Die Arbeitslosenversicherung soll zur Arbeitsversicherung weiterentwickelt werden, die auch präventiv unterstützt. Zudem soll es bei Bedarf eine finanzielle Unterstützung für Weiterbildungen geben. Nicht zuletzt brauchen wir moderne einwanderungs- und integrationspolitische Rahmenbedingungen, ein modernes Einwanderungsgesetz und eine bessere Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse.

5. Die Zahl der (hochqualifizierten) selbständigen Wissensarbeiter wächst in Deutschland nachhaltig. Der aktuelle gesetzliche Rahmen bietet derzeit aber keine verlässliche Rechts-und Planungssicherheit. Was für Lösungsvorschläge haben Sie hier?

Antwort:
Berufliche Selbständigkeit ist die Form einer Erwerbstätigkeit und keine Eigenschaft des Berufstätigen. Gemeinsames Merkmal ist die Unabhängigkeit von einem Arbeitgeber. Diese kann grundsätzlich immer nur für den jeweiligen Job geprüft werden. Wir sehen, dass das für Selbständige
mit großen Belastungen und Unsicherheiten einhergehen kann. Wir wollen aus diesem Grund das Statusfeststellungsverfahren ändern (s.u.) Darüber hinaus soll geprüft werden, inwiefern Selbständige bei einer eindeutigen wirtschaftlichen Unabhängigkeit auf das Statusfeststellungsverfahren verzichten können. Dies muss allerdings im Einklang mit dem Wettbewerbsrecht stehen.

Wahlprüfstein II „Statusfeststellungsverfahren der Deutschen Rentenversicherung“

1. Wie stehen Sie und Ihre Partei zu einer Modernisierung des Prüfverfahrens der Deutschen Rentenversicherung bzw. halten Sie eine solche für sinnvoll?

Antwort:
Selbständige und deren Verbände nehmen die verschiedenen Feststellungsverfahren im Arbeits-, Sozial- und Steuerrecht zu Recht zunehmend als Problem war. Wir setzen uns dafür ein, Rechts- und Planungssicherheit herzustellen, indem die Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung eindeutig und praxistauglich geregelt wird.

2. Falls ja, welche Vorschläge haben Sie / Ihre Partei, um das Prüfverfahren zu modernisieren?

Antwort:
Diesen Anliegen könnte insofern entsprochen werden, als dass ein offener Katalog an Positivkriterien für eine selbständige Tätigkeit formuliert und entsprechend auch im Arbeits-, Sozial- und Steuerrecht festgeschrieben würde.
Problematisch ist zudem, dass die unterschiedlichen Feststellungsverfahren im Sozial-, Arbeits- und Steuerrecht bislang unabhängig voneinander laufen. So müssen sich etwa die Finanzämter nicht an die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung halten und kommen somit ggf. zu abweichenden Einschätzungen. Das erschwert deutlich die Planungssicherheit. Besser wäre es, wenn gleich lautende Kriterien über die verschiedenen Rechtskreise hinweg abgestimmt Anwendung fänden. Als ein erster Schritt ist das Ergebnis der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung mit der arbeitsrechtlichen Prüfung zu verknüpfen.

3. Wie kann eine zukunftsgerichtete und rechtssichere Statusfeststellung im Lichte der zunehmend verschwimmenden Grenzen zwischen abhängigem und selbständigem Erwerb ausgestaltet werden?

Antwort:
Wie soziale Sicherung im digitalen und demografischen Wandel nachhaltig, solidarisch und armutsfest organisiert werden kann, ist eine der großen Herausforderungen. Dazu gehört auch, dass die Grenzen zwischen abhängiger und selbständiger Tätigkeit noch schwimmender werden. Wir wollen eine breite Debatte vorantreiben und Fragen von einer Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens, das gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht, über die Frage einer Wertschöpfungsabgabe bis hin zu institutionellen Reformen der Sicherungssysteme in den Blick nehmen.

Wahlprüfstein III „Altersvorsorge von selbständigen Wissensarbeitern“

1. Hochqualifizierte Selbständige verdienen gut und sorgen nach unseren Erfahrungswerten auch für ihr Alter vor. Wie ist die Position Ihrer Partei zur Altersvorsorge von Selbständigen und welche Differenzierungen gedenken Sie dabei vorzunehmen?

Antwort:
Die Bandbreite der Tätigkeiten wie auch der Einkommen unter Selbständigen ist groß - und zu viele können sich bisher nicht ausreichend für das Alter absichern. Eine gesetzliche Rentenversicherung, die alle einbezieht, ist Ausdruck einer solidarischen und inklusiven Gesellschaft. Alle, die sich in einer vergleichbaren wirtschaftlichen Situation befinden, sollten in der Alterssicherung auch gleich behandelt werden. Bislang nicht obligatorisch abgesicherte Selbständige wollen wir kurzfristig in den Schutz der Rentenversicherung einbeziehen. Viele Selbständige haben bereits Vorsorge getroffen. Dem werden wir durch Übergangsregelungen Rechnung tragen.

2. Wie hoch liegt die Verdienstgrenze (Honorar auf Monats- oder Jahresbasis), ab der ein Selbständiger aus Ihrer Sicht in der Lage ist, eigenständig Altersvorsorge zu betreiben?

Antwort:
Auch Angestellte scheiden nicht aus der Gesetzlichen Rentenversicherung aus, wenn ihr Einkommen eine bestimmte Grenze erreicht. Aus unserer Sicht sollte geprüft werden, ob Selbständigen bei wirtschaftlicher Unabhängigkeit die Möglichkeit eröffnet werden sollte, aus den Statusfeststellungsverfahren heraus zu optieren. An der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflege- bzw. gesetzlichen Rentenversicherung soll sich dadurch nichts ändern.